Am 12.5. testete ich im Rahmen der Rückfahrt von einer kleinen Städte-Rundreise die seit Dezember 2017 angebotene Regiojet-Verbindung von Prag nach Wien. Konkret benützte ich den Zug 1037, der um 16:21 in Praha hl.n. abfährt und vier Stunden und zwei Minuten später in Wien Hbf eintrifft.
Der Fahrpreis ist mit 15€ in der Standard-Klasse ausgesprochen attraktiv. Zwar bietet seit dem Markteintritt des Konkurrenten auch die ÖBB Sparschienen-Tickets für 14€ an, jedoch sind diese mit den üblichen Einschränkungen dieses Tarifmodells verbunden: Beschränktes Kontingent (danach empfindlich höhere Preise), Zugbindung, Stornierung/Umtausch grundsätzlich nicht möglich und so weiter. Die Regiojet-Fahrkarten sind zwar auch zuggebunden, aber man kann sie bis 15 Minuten vor der Abfahrt kostenlos stornieren oder umtauschen. Und es gibt auch (zumindest in der Standard-Klasse) keine Preisstaffelung – solange noch Plätze frei sind, kann man Fahrkarten um 15€ erwerben. Ein weiterer Grund für die Wahl des neuen Anbieters war das Wagenmaterial: Ich bin kein großer Fan des Railjets, ich empfinde die Sitze als grauenhaft und für einen Fernzug mit mehreren Stunden Reisezeit schlicht ungeeignet.
In manchen Bereichen weicht das Konzept von Regiojet erheblich von dem traditionellen Konzept der Staatsbahnen ab. So findet beispielsweise keine Fahrkartenkontrolle im eigentlichen Sinne statt, man bekommt auch bei der Buchung keine klassische Fahrkarte sondern nur eine Buchungsbestätigung. Man muss bereits beim Buchen den Sitzplatz auswählen, die Stewards wissen dann anhand der Buchungslage welche Plätze besetzt sein müssten und welche frei bleiben müssten. Dadurch haben die Stewards mehr Zeit für das durchaus interessante Service-Konzept – doch dazu später mehr.
Das Rollmaterial besteht zu einem guten Teil aus ehemaligen ÖBB-Wagen, daneben gibt es auch ehemalige SBB-Wagen und rumänische Neubau-Wagen ("Astra-Wagen"). Sämtliche Wagen sind – warum auch immer – ungeachtet der Innenausstattung mit den Klassenziffern für die zweite Klasse beschriftet, obwohl das Klassensystem von Regiojet mit dem klassischen System wenig zu tun hat. Grundsätzlich werden vier verschiedene Tarife angeboten: Low-Cost, Standard, Relax und Business. Die günstigste Kategorie wird in Österreich nicht angeboten (der Wagen ist ab Břeclav leer und abgesperrt); man reist in ehemaligen SBB-Großraumwagen (mit eher bescheidenem Sitzkomfort). Die Astra-Wagen sowie die Abteilwagen werden als Standard-Klasse vertrieben, zwischen den ehemaligen Erste-Klasse-Abteilen und den ehemaligen Zweite-Klasse-Abteilen wird tariflich nicht unterschieden. Die ehemaligen Großraumbereiche erster Klasse werden im Tarif Relax verkauft, die mit lediglich vier Plätzen ausgestatteten ehemaligen Business-Klasse-Abteile durften ihren Namen behalten und stellen auch jetzt die nobelste Kategorie dar.
Es gibt aber nicht nur im Sitzkomfort, sondern auch und vor allem im Service Unterschiede. In allen Klassen bekommt man beim Einsteigen eine Flasche Wasser und es stehen Zeitungen und Zeitschriften zur Verfügung (leider nur auf Tschechisch und Slowakisch). In den höheren Klassen kann man zusätzlich noch kleine (kalte) Snacks, Süßspeisen sowie Getränke erwerben. Regiojet sieht das nicht als zusätzliche Einnahmequelle, sondern möchte damit die Fahrt attraktiver machen – die Preise sind selbst für tschechische Verhältnisse sehr günstig, am Kiosk am tschechischen Bahnhof zahlt man deutlich mehr. So kostet etwa ein Schinken-Käse-Croissant 1€, Torten 0,40€, Limonaden (0,5L) 0,60€ und Bier (0,5L) 0,80€. Eine allzuhohe Qualität darf man sich jedoch nicht erwarten… Ich habe mir panierte Hühnerstreifen mit Kartoffelsalat für 3,20€ bestellt; serviert wurde es in einer unhandlichen Plastikschüssel, die Einweg-Plastikgabel lag mitten im Kartoffelsalat (Serviette war natürlich keine dabei). Das Fleisch war so hart, dass es sich mit der Billig-Gabel nicht aufspießen ließ und der Kartoffelsalat war auch nicht gerade ein kulinarischer Hochgenuss. Das nächste Mal wirds wohl eher das Schinken-Käse-Croissant werden, da kann man nicht so viel falsch machen… Übrigens: Die Torten wurden dafür auf Porzellantellern und mit einer echten Gabel serviert…
Das ganze Konzept ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. In manchen Abteilwagen wurden zwei Abteile am Wagenende ausgeräumt und zu einem Service-Abteil mit Vorratskammer umgebaut, von dort aus gehen die Stewards in unregelmäßigen Abständen durch die Wagen und fragen die Fahrgäste nach Wünschen. In den in den in den Abteilen aufliegenden Broschüren wird das etwas schwer verständlich so beschrieben: "Service vom Wagen serviert im Tarif Standard nach Abfahrt aus Prag; nach Abfahrt aus Kysak, Ostrava Svinov und Brünn (in Richtung nach Prag); illy-Kaffee gratis und Bestellung eines Imbiss aus unserem Menü erfolgen 40-60 Minuten nach dem Service vom Wagen, bzw. können an den Auslastungsgrad des Wagens angepasst sein." Man braucht jedoch nicht glauben, dass man auch zwischendurch beim Serviceabteil vorbeischauen kann und sich etwas kaufen kann… Wenn man eine Bestellrunde verpasst, hat man Pech gehabt, wenn man unwissend über die in den gelben Zügen herrschenden Gepflogenheiten höflich nachfragt, bekommt man freche Antworten. Aber gut, es ist eh halbwegs nachvollziehbar. Nachdem ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der Low-Cost-Klasse eben ist, dass man dort keine Snacks und Getränke kaufen kann, möchte man damit vermutlich verhindern, dass Fahrgäste aus dem Low-Cost-Wagen in andere Wagen gehen und sich dort trotzdem etwas kaufen – die Stewards können sich ja in einem gut besetzten Zug unmöglich merken, wer wo sitzt.
Die höheren Klassen Relax und Business werden laut der erwähnten Broschüre beim Service bevorzugt behandelt – also kann man dort wahrscheinlich jederzeit etwas kaufen bzw. gehen die Stewards öfter durch.
Der Zug war auf dem tschechischen Abschnitt recht gut ausgelastet, wobei bis Brünn natürlich am meisten los war (geschätzt 80-90% der Sitzplätze belegt). Aber auch auf dem österreichischen Abschnitt war der Zug nicht unbedingt leer, der Besetzungsgrad lag grob geschätzt bei weniger als 50% (ohne Berücksichtigung des leeren Low-Cost-Wagens). Erstaunt hat mich der sehr kurze Aufenthalt in Břeclav: Während die Railjets dort meinen Beobachtungen nach meistens um die fünf Minuten für den Systemwechsel brauchen, fuhr der Regiojet nach nicht viel mehr als einer Minute Aufenthalt wieder weiter.
In Österreich fungiert die Graz-Köflacher Bahn als verantwortliches EVU und stellt auch einen Zugbegleiter, der jedoch nur betriebliche Aufgaben hat – für den Kundendienst sind auch in Österreich die Regiojet-Stewards zuständig. Weiters führte der GKB-Zub auch Lautsprecherdurchsagen auf Deutsch und Englisch durch. Die hätte er sich aber – zumindest in der von ihm durchgeführten Form – sparen können. Auf Deutsch sprach er so schnell, dass ich ihn nur verstanden habe weil ich ungefähr weiß, was in Zügen üblicherweise angesagt wird. Die englische Ansage war einfach nur ein Witz – ab dem zweiten oder dritten Wort verschmolz alles zu einem einzigen, völlig unverständlichen Wort. Statt "Ladies and gentleman, in a few minutes we will arrive at Wien Simmering" (oder so in der Art) erklang so etwas ähnliches wie "Ledihs end Tschentlmnfrlsimmering" aus den Lautsprechern… Inklusive des danach folgenden Satzklumpens, der wohl sowas wie "danke für die Reise mit Regiojet und auf Wiedersehen" hätte heißen sollen, dauerte die englische "Ansage" etwa um die zwei Sekunden.
Obwohl der Zug in Tschechien ein paar Minuten Verspätung aufgerissen hatte, kam er in Wien dank der sehr entspannten Fahrzeit in Österreich nahezu pünktlich an.
Fazit: Der neue Anbieter kann insbesondere mit den günstigen Preisen bei einer einfachen Buchbarkeit und entgegenkommenden Stornierungsbedingungen punkten. Das eingesetzte Rollmaterial bietet einen Sitzkomfort und ein Raumerlebnis, das man bei österreichischen Zügen seit der nahezu vollständigen "Railjetisierung" schmerzlich vermisst – und das sehe offenbar nicht nur ich so, auch Regiojet wirbt mit dem Fahrkomfort, der selbst dem der ersten Klasse bei der Staatsbahn überlegen ist. Einzig bei der Laufruhe speziell bei höheren Geschwindigkeit hat der Railjet gegenüber den ursprünglich aus den 70er- und 80er-Jahren stammenden Wagen die Nase vorne.
Das Servicekonzept ist sehr interessant, die angebotenen Speisen sind auch sehr billig (ich schreibe bewusst nicht "günstig"). Dass man nich jederzeit einkaufen kann, ist aber gewöhnungsbedürftig.
Das Fahrplanangebot ist bei den von ČD und ÖBB betriebenen Railjets auf jeden Fall besser (Zweistundentakt, ergänzt um einzelne Züge Richtung Polen, bei denen man in Břeclav nach Prag umsteigen kann – bei Regiojet gibt es vier Abfahrten pro Tag in einem zumindest Richtung Tschechien sauberen Vierstundentakt), wer also auf bestimmte Zeitlagen angewiesen ist oder besonders spät fahren möchte, wird das Regiojet-Angebot unter Umständen nicht nutzen können.
Mich wird Regiojet auf jeden Fall wieder als Fahrgast sehen, wenn ich wieder einmal in diese Richtung reise.
Als Abschluss des kleinen Berichts noch ein Video, das die leere Garnitur bei der Ausfahrt aus Wien Hbf am Weg zur Hinterstellung in "Supermatz" zeigt.