Schon seit geraumer Zeit geistert die Idee herum, die Dampzahnradbahn zum Achensee nicht nur als reine Touristenbahn zu nutzen, sondern sie auch für die öffentliche Verkehrsanbindung der Achensee-Region zu verwenden. Derzeit wird die Gegend mit Bussen erschlossen, die von Jenbach über die deutlich längere neue Achensee-Straße via Wiesing fahren und dabei die Fahrzeit der Dampfzüge deutlich unterbieten. Für die Pläne, die Achenseebahn als ganzjährig verkehrendes öffentliches Verkehrsmittel zu betreiben, sind andere Fahrzeuge als die Dampfgarnituren aus der Gründerzeit unabdingbar.
In der Schweiz gibt es die von den Appenzeller Bahnen betriebene Bahnstrecke St. Gallen – Gais – Appenzell, eine Zahnradbahn mit ähnlichen technischen Parametern wie die Achenseebahn (gleiche Spurweite, gleiches Zahnradsystem). Dort wird seit einigen Jahren fleißig gebaut: Mit einem neuen Tunnel wird der letzte Zahnstangenabschnitt eliminiert und in St. Gallen wird die Strecke mit der benachbarten, ebenfalls meterspurigen Trogener Bahn verbunden. Bald wird man mit neuen, straßenbahnartigen Zügen durchgehend von Trogen bis Appenzell fahren können. Die alten Zahnradgarnituren mit den Triebwagen BDeh 4/4 11-15 und den zugehörigen Steuerwagen ABt 111-115 werden dann nicht mehr benötigt.
Seit einigen Jahren liebäugelt man in Tirol mit den Gebrauchtfahrzeugen aus dem Appenzeller Land. Um die elektrischen Züge auch auf der österreichischen Zahnradbahn einsetzen zu können, gab es verschiedene Ideen: Elektrifizierung der Achenseebahn, Ausrüstung der Triebwagen mit Akkus oder Einbau eines Dieselaggregats.
Bereits vor ziemlich genau vier Jahren war ein niederfluriger Steuerwagen der Appenzeller Bahnen in Jenbach zu Gast. Anlässlich des Festwochenendes "125 Jahre Achenseebahn" wurde der ABt 123 von 6. bis 9. Juni 2014 als die "Zukunft der Achenseebahn" präsentiert. Man musste aber schon genau nachfragen, um zu erfahren, dass die drei Niederflursteuerwagen gar nicht zur Disposition standen (sie werden auch weiterhin auf den Appenzeller Bahnen benötigt) und das präsentierte Fahrzeug eigentlich eine Mogelpackung war.
Quelle: EBFÖ-User Professor
Nun ist es so weit: Seit April wird die alte Zahnradstrecke zwischen St. Gallen und Teufen nicht mehr befahren, ab Oktober wird die neue Strecke in Betrieb sein. Die neuen Fahrzeuge befinden sich in Auslieferung. Und obwohl angesichts der eher chaotisch anmutenden Zustände auf der Achenseebahn (sehr kurzfristiger Austausch des Managements mitsamt Gerichtsverfahren gegen den alten Vorstand, seit letztem Jahr erhält die Bahn keine öffentlichen Fördergelder mehr) keiner damit gerechnet hätte, ist Anfang dieser Woche der erste Schweizer Triebwagen in Jenbach eingetroffen.
Quelle: Tiroler Tageszeitung, 12.6.2018
Interessant sind dabei vor allem folgende Punkte:
- Wenn die Achenseebahn öffentliche Verkehrsleistungen anstrebt: Wie schaut es da mit den Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetztes aus? Die Niederflursteuerwagen bleiben ja weiterhin in der Schweiz.
- Warum übernimmt man gleich alle fünf Garnituren? Für den Betrieb auf der Achenseebahn würden zwei Garnituren benötigt werden, mit einer Reservegarnitur wären drei Garnituren sicher ausreichend gewesen. Die zwei weiteren Garnituren wurden seitens der Appenzellerbahnen sicher nicht als Draufgabe verschenkt und die Abstellmöglichkeiten in Jenbach sind beschränkt.
- Hat man schon eine Lösung gefunden, wie die elektrischen Triebwagen auf der nicht elektrifizierten Achenseebahn mit Energie versorgt werden können?
- Die BDeh 4/4 11-15 sind nur für Steigungen bis 100‰ (maximale Steigung der Strecke St. Gallen – Gais – Appenzell) zugelassen. Nur die beiden zwölf Jahre später beschafften Triebwagen 16 und 17 dürfen Steigungen bis 160‰ (maximale Steigung der ebenfalls von den Appenzeller Bahnen betriebenen Strecke Altstätten – Gais) befahren – die werden aber nicht abgegeben, sondern werden für eben diese Strecke auch weiterhin benötigt. Die Achenseebahn weist ebenfalls Steigungen von bis zu 160‰ auf.
Weiters sind mir keine konkreten Zusagen seitens der Politik bekannt, die Zahnradbahn auch wirklich für den öffentlichen Verkehr nutzen zu wollen. Momentan scheinen das eher idealistische Pläne des Vorstandes, Hr. Mag. Fuchshuber, zu sein.
Insgesamt entsteht irgendwie der Eindruck, dass man die Fahrzeuge ohne konkrete Pläne einfach einmal auf gut Glück gekauft hat… Ich hoffe, dass man bei der Achenseebahn konkrete Zusagen über einen öffentlichen Verkehr seitens der Politik und/oder des VVT hat und sich bewusst ist, was an den Fahrzeugen alles umgebaut werden muss. Denn es wäre wirklich schade, wenn die Bahn mit diesem Fahrzeugkauf auf die Schnauze fallen würde oder gar endgültig an die Wand gefahren werden würde.