Jahrelang haben die ÖBB auf diesen Moment hingearbeitet, jetzt ist es endlich soweit: Der Railjet wurde heute offiziell mit dem AMA-Gütesiegel ausgezeichnet. Die fahrtgerechte Passagierhaltung ist damit gewährleistet.
ST. VALENTIN – Zwei AMA-Prüfer landen mit dem Hubschrauber am Dach des Railjet 644 Richtung Linz. Der Schaffner verbeugt sich, bittet sie an Bord und drückt ihnen zwei Pappbecher Kaffee in die Hand, die sie unauffällig auf die Gleise schütten. Der Kaffee ätzt sich durch eine Schiene und vergiftet das Grundwasser.
An Bord des Railjets sieht man Bilder wie aus AMA-Vorbildbetrieben: Dicht gedrängt harren tausende Menschen im Waggon aus. Einmal am Tag geht ein Steward durch die eingepferchte Menge und verteilt Trockenfutter wie etwa Erdnüsse. Die Fahrgäste bekommen weder Auslauf, noch fahrtgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten – mit dem WLAN kann man nicht einmal YouTube schauen.
Nach einer Stunde Fahrzeit wird die Stimmung immer aggressiver, manche Gäste beginnen zu grunzen und attackieren sich gegenseitig. Eine Reisende verzweifelt an einer automatischen Tür, die sich nicht öffnen lässt. Sie kratzt panisch am Glas. Der Prüfer notiert sich: „Türquälerei“, dahinter ein trauriges Smiley.
Ein Mann mit Flipflops irrt auf der Suche nach einem funktionierenden WC durch den Zug. Kurz vor der ersten Klasse uriniert er auf den Boden. Tierschützer Martin Balluch steht mit falschem Schnurrbart mittendrin und filmt heimlich mit.
Passagierwohl entscheidend
„Bravo, jedes Kriterium vorbildlich erfüllt, Passagierwohl wird hier großgeschrieben, die Liegebatterien in den Nachtzügen haben wir ja schon letzte Woche inspiziert“, nickt AMA-Prüfer Heimo Rainer zufrieden und schaut zu seinem Kollegen.
Der zweite Prüfer kneift die Augen zusammen, er ist noch unschlüssig. „Warum liegt hier eigentlich kein Stroh rum? Da müssen Sie schon ein bisserl ein Stroh auslegen. Auch Zuggäste haben sowas wie Würde“, sagt er und zeigt auf den Urinfleck, der sich unter dem Fahrgast gebildet hat.
„Der hat eh keine Platzreservierung“, sagt der Schaffner und wirft den Mann mit der angepissten Hose aus dem fahrenden Zug in ein Maisfeld. Der Prüfer notiert: „sehr hygienisch“, dahinter ein lächelndes Smiley. Gemäß AMA-Vorschriften wird auch auf österreichische Herkunft geachtet. Daher kommen Züge aus Italien und Tschechien aus Prinzip mit Oberleitungsschaden vor der Grenze zum Stehen.
Erfolgreiche Prüfung
Dann ist es endlich soweit: Die Prüfer haben sich geeinigt, das AMA-Gütesiegel wird verliehen. Es darf nun bis zur nächsten Prüfung im Jahr der Wiederkunft des Herrn an jedem Waggon angebracht werden – der Massenpassagierhaltung mit gutem Gewissen steht jetzt nichts mehr im Wege.