Modellvergleich: Eurofimawagen von Roco vs. ACME
In den 70er-Jahren beschafften einige Bahngesellschaften Europas (DB, FS, ÖBB, SBB, SNCB, SNCF) gemeinsam eine Serie von 500 Reisezugwagen, die dem Baumuster UIC-Z (Länge 26,4m, klimatisiert, 9 Abteile in der 1. bzw. 11 Abteile in der 2. Klasse) entsprachen. Die Idee war, durch die gemeinsame Großbestellung einen besseren Stückpreis zu erzielen; dieses Ziel wurde allerdings nicht erreicht. Koordiniert wurde die Fahrzeugbeschaffung von der Europäischen Gesellschaft zur Finanzierung von Eisenbahnmaterial, kurz Eurofima – daher hat sich für diese Wagen der Begriff Eurofima-Wagen eingebürgert.
Der Bedarf an modernen Reisezugwagen war damit noch nicht gedeckt, zu einer weiteren Gemeinschaftsbestellung kam es aber nicht mehr. Stattdessen beschafften einige der genannten Bahngesellschaften auf eigene Faust weitere Wagen, die den Eurofimawagen im Wesentlichen entsprechen, aber doch in etlichen Details abweichen. Diese nationalen Nachbauten sind allerdings nicht Gegenstand dieses Modellvergleichs.
Für mehr Informationen über das Vorbild empfehle ich den Wikipedia-Artikel über diese Wagenfamilie: Klick
Diese in weiten Teilen Europas anzutreffenden Wagen mit ihrer Farb- und Variantenvielfalt riefen natürlich auch diverse Modellbahnhersteller auf den Plan. Die mit Abstand älteste maßstäbliche Modellumsetzung stammt von Roco und kam bereits Anfang der 80er-Jahre auf den Markt. Erst 2010 bekamen die Roco-Wagen Konkurrenz in Form der ACME-Modelle, nachdem sich die italienische "Verwandtschaft" dieser Wagen schon etwas länger im Sortiment dieses Herstellers befunden hatte. Vier Jahre später kam dann LS Models als dritter Hersteller dazu.
In meinem Bestand befinden sich etliche Eurofimawagen von Roco und ACME. Von LS Models hat es bislang noch keiner zu mir geschafft – das liegt vor allem an der für mich nicht nachvollziehbaren Preisgestaltung.
Optischer Vergleich
Da ich keine Wagen in gleicher Ausführung sowohl von ACME als auch von Roco in meinem Besitz habe, muss sich mein Vergleich mit ähnlichen Wagen begnügen. Halbwegs vergleichbar sind die Liegewagen der SBB und SNCB. Falls die Frage "Eurofima-Liegewagen – wos is des?" auftaucht: Die SBB beschaffte im Anschluss an die Sammelbestellung 20 bis auf die Innenausstattung den Eurofimawagen entsprechende Liegewagen, die SNCB baute Ende der 80er-Jahre 20 ihrer Sitzwagen nach schweizerischem Vorbild in Liegewagen um.
(Bild lässt sich durch Anklicken vergrößern)
Der Gesamteindruck ist, wie ich finde, bei beiden Modellen recht gut, der Wiedererkennungswert ist eindeutig gegeben. Dennoch gibt es einige Unterschiede, insbesondere in der Umgebung der Einstiegsbereiche.
Abgesehen von der filigraneren Trittstufe bei ACME fällt einmal auf, dass der schräge Schürzenabschnitt oberhalb des Drehgestells bei ACME viel steiler ist als bei Roco. Das ACME-Modell entspricht hier den italienischen Eurofima-Nachbauten – offenbar wurden für die ACME-Eurofimawagen etliche Teile dieser Wagen weiterverwendet. (Es gibt jedoch auch ACME-Modelle, bei denen diese Schrägen einen merkbar flacheren Winkel haben – ich komme später darauf zurück.)
Außerdem ist bei ACME das WC-Fenster breiter als bei Roco. Auch das ist wohl ein "Erbe" der italienischen Eurofima-Abkömmlinge: Bei den nachgebauten Wagen haben diese Fenster nämlich andere Abmessungen als bei den originalen Eurofimawagen. Bei den ÖBB-Nachbauten beträgt der Unterschied fast 10cm, was in 1:87 einem guten Millimeter entspricht. Von den FS-Nachbauten habe ich leider keine Maße, aber es wird sich in der selben Größenordnung bewegen. Die Breite der WC-Fenster der ACME-Wagen entspricht jedenfalls ziemlich exakt dem Maß, das für die ÖBB-Nachbauten stimmen würde (899mm bzw. umgerechnet 10,3mm).
Verstärkt wird der Unterschied bei den Modellen noch dadurch, dass die Roco-Fenster dafür eine Spur zu schmal sind. Bei den Eurofimawagen in 1:1 sind die Klofenster 800mm breit, in 1:87 wären das 9,2mm. Beim Roco-Modell misst man jedoch nur 8,8mm.
(Die Diskussion von Abweichungen im Zehntelmillimeterbereich mag manchen lächerlich erscheinen – aber ich höre eh schon wieder auf damit.)
Weitere Unterschiede gibt es bei den Drehgestellen. Roco hat die Latte bereits Anfang der 80er-Jahre sehr hoch gelegt. Die ersten Versuche von ACME, die Fiat-Drehgestelle nachzubilden, sind eher als misslungen anzusehen – die Dinger wirken recht plump, insbesondere die Primärfeder. Später wurde das Drehgestell neu konstruiert und kann es nun meiner Meinung nach mit Roco durchaus aufnehmen, wobei die Gravuren bei den Achsfedern bei Roco nach wie vor mehr Tiefe haben. Nett finde ich die Idee, die Drehgestelle zu bedrucken.
Die Löcher in den ACME-Drehgestellen sind für die Montage filigraner Kabel/Schläuche vorgesehen. Aus Angst vorm Abhandenkommen im Anlagenbetrieb blieben sie bei mir im Zurüstbeutel.
Was im Anlagen- oder Vitrineneinsatz gar nicht auffällt: Die ACME-Drehgestelle sind auch "hinter der Fassade" sehr detailreich gestaltet und warten mit einer Nachbildung der Scheibenbremsen mitsamt Steuerung (bei den neueren Varianten) auf.
Für den Anlageneinsatz sind diese Dinger jedoch eher hinderlich. Will man die Achsen zwecks Reinigung ausbauen, muss man die Kleinteile vorher entfernen – das ist recht mühsam, vor allem wenn sie fest angeklebt sind.
Kommen wir zu den Schürzen. Diese sind beim Vorbild abgerundet und nach unten hin eingezogen. Diese Rundung ist Roco besser gelungen als ACME.
Die Gravuren auf den Schürzen sind bei manchen ACME-Modellen sehr seicht ausgefallen. Wollte man böse sein, könnte man fast sagen "da wirkt Rocos Digitaldruck plastischer"
Aber ACME hat da nachgebessert, bei neueren Wagen schauen die Gravuren nämlich recht gut aus. Rocos Gravuren bewegen sich mMn qualitativ zwischen den beiden ACME-Varianten.
Weiters fällt auf, dass ACME im Gegensatz zu Roco die diversen Hebel im Bereich der Schürze bedruckt hat. Auch Roco macht das bei manchen in letzter Zeit ausgelieferten Wagen, bei den Eurofima-Wagen jedoch nicht. Bei diesen Wagen will man offenbar vor allem durch einen niedrigeren Verkaufspreis punkten und spart daher bei manchen Druckvorgängen.
Einer der wesentlichsten Unterschiede zwischen den beiden Herstellern sind die Fenster. Die Rahmen sind bei ACME etwas feiner ausgefallen und die Fenster sind eine Spur größer. Vor allem aber sind sie bündig mit der Außenwand des Wagens, bei Roco hingegen sitzen sie ein Euzerl zu weit innen. Aus der wohl häufigsten Modell-Betrachtungsperspektive von schräg oben sieht man zwischen Dichtungsgummi und Fensterrahmen die Kastenfarbe durchleuchten… Was natürlich umso mehr auffällt, je heller der Wagenkasten ist.
Da mein Posting die Fehlermeldung "es stehen maximal 10 000 Zeichen zur Verfügung" hervorgerufen hat, muss ich den Vergleich auf zwei Postings aufteilen – Fortsetzung folgt...