Reisebericht: Als am Peloponnes noch Schmalspurbahnen fuhren

  • Hallo!


    Im Mai 2010 ergab sich die Gelegenheit, an den verlängerten Wochenenden zu Christi Himmelfahrt und Pfingsten eine kleine Reise zu unternehmen. Nachdem das Schmalspurnetz auf der griechischen Halbinsel Peloponnes durch den Bau einer normalspurigen Neubaustrecke kontinuierlich kürzer wurde, entschieden wir uns, dorthin zu fahren, um noch einen möglichst großen Teil des Schmalspurnetzes bereisen zu können. Auch die An- und Abreise war auf dem Landweg mit der Bahn vorgesehen. Leider war es nicht möglich, die Tage zwischen den beiden Wochenenden freizubekommen. Daher mussten wir die zeitfressenden ~1700km zwischen Wien und Athen insgesamt vier Mal zurücklegen. Aber das Sprichwort "die Reise ist das Ziel" hatte auch hier Gültigkeit und die Balkan-Transitreisen waren in gewisser Hinsicht sogar abenteuerlicher als Griechenland… Weiters war es sehr schwierig, die griechischen Fahrpläne im Voraus zu erkunden. Bei der ersten Reise konnten wir vor Ort einige wichtige Informationen einholen, die wir bei der zweiten Reise gut brauchen konnten.


    Einleitung


    Das griechische Eisenbahnnetz ist im Vergleich zu Bahnnetzen in manchen anderen europäischen Staaten weder sonderlich dicht noch wirklich flächendeckend.



    Quelle bzw. Karte in voller Auflösung: Wikipedia (Klick), Autor: Maximilian Dörrbecker


    Außergewöhnlich ist bzw. war der relativ hohe Anteil an Schmalspurstrecken. Neben zwei kurzen Strecken mit einer Spurweite von weniger als einem Meter (Zahnradbahn Diakopto-Kalavrita 750 mm, Pilionbahn Volos-Milies 600 mm) gab es zwei große Meterspurnetze, die zusammen rund ein Drittel des griechischen Streckennetzes ausmachen: Das Netz der Thessalischen Eisenbahnen (zwei Strecken von Volos nach Larisa und Kalambaka, insgesamt ca. 200km) und das ca. 730km lange Netz auf der Halbinsel Peloponnes, das sich einst bis Athen und Piräus erstreckte.
    Bemerkenswert war dabei insbesondere das Peloponnes-Netz. Bei uns kennt man Schmalspurbahnen vor allem als Nebenstrecken mit nur lokaler Bedeutung, dort handelte es sich jedoch zum Teil um Hauptstrecken mit Güter- und Schnellzugverkehr. Sogar Nachtzüge mit Liege- und Schlafwagen gab es dort. Patras, immerhin die drittgrößte Stadt Griechenlands, war ausschließlich auf schmaler Spur ans Eisenbahnnetz angeschlossen. So interessant das für Eisenbahnfreunde auch klingen mag: Im Alltagsverkehr war die Schmalspurbahn mit ihrer kurvenreichen Streckenführung und den geringen Höchstgeschwindigkeiten vor allem auf der wichtigen Verbindung Athen – Patras einfach nicht mehr zeitgemäß, die gut ausgebauten Straßen stellten eine harte Konkurrenz dar.
    Nachdem 2001 das Meterspurnetz in Thessalien Geschichte war (die Strecken wurden auf Normalspur umgespurt bzw. eingestellt), wurden auch die Planungen, den Peloponnes mit einer leistungsfähigen und schnellen Normalspurbahn zu erschließen, immer konkreter. Ab Herbst 2004 wurde die Strecke von Piräus ausgehend schrittweise eingestellt und durch eine normalspurige Neubaustrecke ersetzt. Ein Jahr später erreichte die Normalspur bereits Korinthos, seit 2007 geht sie bis Kiato. Der Bau der Fortsetzung bis Patras geriet unter anderem auch wegen der griechischen Staatsschuldenkrise ins Stocken, die drittgrößte Stadt des Landes erreicht man seit mittlerweile über zehn Jahren nur noch mit dem Schienenersatzverkehrsbus. Ob das wirklich kundenfreundlicher ist als der langsame Schmalspurzug, sei dahingestellt.


    Das Ende der dortigen Schmalspurbahnen kam dann plötzlich und unerwartet und hatte nichts mit normalspurigen Neubaustrecken zu tun. In Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise beschloss die Regierung Anfang 2011 wieder einmal ein radikales Sparprogramm, das diesmal die Eisenbahn mit voller Härte traf. Von einem Tag auf den anderen wurden landesweit große Teile des Netzes eingestellt, auf den verbleibenden Strecken wurde die Anzahl der Züge drastisch reduziert. Am Peloponnes blieben einzig die Normalspurzüge Athen – Kiato mit dem anschließenden Schienenersatzverkehr nach Patras, ein 12,5 km langer Vororteverkehr im Bereich Patras, die bei Touristen beliebte Zahnradbahn Diakopto – Kalavrita sowie die Verbindung vom Kreuzfahrtschiff-Hafen Katakolo zur Ausgrabungsstätte Olympia bestehen. Immerhin blieben die nicht mehr benützten Strecken erhalten und stehen, so es der Erhaltungszustand noch zulässt, für gelegentliche Sonderfahrten zur Verfügung.


    Nachdem bei Beiträgen mit mehr als 10 000 Zeichen eine Fehlermeldung kommt, muss ich den Beitrag an dieser Stelle unterbrechen und im nächsten Posting fortsetzen ;)

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  • Teil 1: Mit dem Zug von Wien nach Griechenland


    Los ging es am Abend des 12.5.2010. Der D 347 "Dacia" Wien – Bukarest führte damals noch Kurswagen, die in Budapest auf den D 341 nach Beograd übergingen. Unser Liegewagen wurde von einer größeren Pensionisten-Reisegruppe bevölkert. Solange es draußen noch hell war, konnten wir in einen der fast leeren ungarischen Sitzwagen flüchten. Nach Einbruch der Dunkelheit vertrieb uns der ungarische Schaffner von dort weil in dem Wagen weder Heizung noch Licht funktionierten. Der Schaffner war offenbar der Meinung, dass der Wagen während der fast zehnstündigen Stehzeit in Wien repariert werden hätte sollen – zumindest kommentierte er den Zustand des Wagens mit den Worten " Östareicha kan doktore, aber nix arbeiten".


    An der ungarisch-serbischen Grenze wurden wir zwei Mal geweckt. Die Grenzpolizisten auf ungarischer Seite um zwei Uhr morgens waren bemüht, das Ausmaß der Schlafstörung auf einem Minimum zu halten. Die serbischen Kollegen eine halbe Stunde später waren nicht ganz so sensibel: Eine recht kleine und etwas fester gebaute Beamtin klopfte mit dem Schlüsselbund so fest gegen die Abteiltüren, dass es fast verwunderlich ist, dass alle Glasscheiben ganz blieben. Dazu schrillte ihr kräftig ausgebautes Stimmorgan durch den Wagen: "Republika Srbija, pasport kontrol!" Nach dem vierten oder fünften Mal Klopfen und Schreien öffnete sich plötzlich eine andere Abteiltüre und eine männliche Stimme keppelte heraus: "Herst, hoit de Goschn, do woin wöche schlofm." Fast wie im Kabarett


    Das folgende Bild zeigt den aus zwei ungarischen Sitzwagen, einem WLAB MU und einem Liegewagen der ÖBB sowie einem bulgarischen Schlafwagen Wien-Sofia bestehenden Zug am Morgen des 13.5.2010 kurz vor dem Bahnhof der serbischen Hauptstadt.


    In Gleisvorfeld des Bahnhofes befand sich eine Drehscheibe und ein Rundschuppen. Einige Jahre zuvor war hier eine hochrangige Schnellstraße gebaut worden. Das Dach des Schuppens war anscheinend im Weg und wurde daher abgetragen… Der rechts erkennbare Teil des Gebäudes war aber nach wie vor in Betrieb.


    Es war meine erste Reise nach Südosteuropa. Der extrem heruntergekommene Zustand von Infrastruktur und Fahrzeugen hat mich beeindruckt. Das ganze Gleisvorfeld war eine einzige Langsamfahrstelle. Sämtliche Züge mussten mit etwa 10 km/h in den Bahnhof schleichen.


    Am Bahnhofsvorplatz konnte ich ein paar Straßenbahnen ablichten. Hier eine Garnitur aus Fahrzeugen des Typs Tatra KT4.


    Eine aus Basel übernommene Düwag-Garnitur:


    Die Gleise hätten eine Sanierung durchaus vertragen.


    Zurück im Bahnhof; zu sehen ist der IC 344 "Avala" nach Prag mit den Kurswagen nach Moskau und Kiew.


    Mit diesem Zug fuhren wir weiter: D 337 "Olympus" nach Thessaloniki mit Kurswagen nach Sofia und Istanbul. Damals gab es noch deutlich mehr internationale Zug- und Kurswagenverbindungen ab Beograd als heute…


    Südlich von Beograd passierte der Zug lange Reihen abgestellter Fahrzeuge. Man beachte auch das Rasengleis rechts vom Zug.


    In Niš trennen sich die Strecken nach Bulgarien und nach Mazedonien. Nach dem Abkuppeln der Kurswagen nach Sofia war unser Wagen der letzte Wagen. Es wurde vergessen, die hintere Übergangstüre zu versperren. Das ermöglichte nette Fotos aus Pseudo-Lokführer-Perspektive.


    Die Landschaft war reizvoll…



    Aber die Strecke war in keinem sonderlich guten Erhaltungszustand. Es gab kilometerlange Langsamfahrstellen; mit dem Tempo des Zuges hätte auch ein nicht überdurchschnittlich sportlicher Radfahrer locker mithalten können.


    In der Nähe der mazedonischen Grenze fielen mir diese "Wachtürme" bei Kunstbauten auf.


    An dieses Tunnel kann ich mich noch gut erinnern. Wir fuhren mit geschätzt weniger als 10 km/h durch. In den Wagen gab es kein Licht und wegen des atemberaubenden Tempos dauerte die Durchfahrt natürlich entsprechend lang. Und unter dem Zug hörte man den schlechten Oberbau "arbeiten"…


    Bereits in Mazedonien begegneten wir diesem Nahverkehrszug.


    Der Bahnhof von Skopje wurde nach einem verheerenden Erdbeben im Jahr 1963 neu gebaut.


    Ein Bild, das den Bahnhof vom Straßenniveau zeigt, gibt es hier: http://666kb.com/i/dmfhsa9vh4ap5zm0c.jpg (stammt von meinem Kosovo-Reisebericht)


    Die Landschaft blieb reizvoll.



    Auch die immer noch unversperrte Wagenübergangstür ermöglichte weiterhin interessante Fotos.





    Abendstimmung irgendwo im Süden Mazedoniens.


    Mit großer Verspätung erreichte der Zug schließlich Thessaloniki. Zwischenzeitlich hatten wir schon um den Anschluss an den Nachtzug nach Athen gebangt, doch blieben schlussendlich noch etwa zehn Minuten Zeit. Wir hatten nur ein Problem: Wir hatten keine Reservierung, da die griechischen Züge im ÖBB-Buchungssystem nicht enthalten waren… Wir fragten den Schlafwagenschaffner, ob er uns eine verkaufen kann. Nein, wir sollen zum Schalter gehen. Im Laufschritt erreichten wir die Halle und sahen die lange Schlange vorm Schalter – sich dort anzustellen, wäre sinnlos gewesen. Also zurück zum Schaffner. Gegen ein kleines Trinkgeld (das vermutlich geringer war als eine offizielle Reservierung gekostet hätte) war er dann doch bereit, uns ein Abteil zu geben.


    Die Fortsetzung mit der Fahrt nach Athen und den ersten Berührungen mit den griechischen Schmalspurbahnen gibts dann im nächsten Teil.


    Kommentare, Fragen, Anregungen etc. sind natürlich gerne gesehen


    lg 4010-freak

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  • Hallo 4010,


    Zitat

    Verbindung vom Kreuzfahrtschiff-Hafen Katakolo zur Ausgrabungsstätte Olympia bestehen


    Diese ist aber nur in den Sommerreisemonaten in Betrieb Oktober bis verm. Juni ist die Bahn nicht in Betrieb!!!


    War die Schmaspurstrecke im NordOsten wirklich bis Sofia in Betrieb? So würde ich nämlich deinen angehängten Plan deuten


    LG
    Manfred


  • War die Schmaspurstrecke im NordOsten wirklich bis Sofia in Betrieb? So würde ich nämlich deinen angehängten Plan deuten


    Da hast du den Plan falsch interpretiert. Die Farben kennzeichnen nicht die Spurweite der Strecken, sondern ob sie elektrifiziert sind oder nicht. Die Spurweite erkennt man auf diesem Plan leider nicht.
    Schmalspurig waren lediglich die von Volos ausgehenden Strecken nach Larisa (die bereits 1960 auf Normalspur umgespurt wurde), Kalambaka (um 2000 zwischen Paleofarsalos und Kalambaka umgespurt, zwischen Volos und Paleofarsalos eingestellt) und nach Milies (Spurweite 600mm) sowie die Strecken am Peloponnes inklusive der Fortsetzung nach Athen und Piräus und der nördlich von Patras befindlichen Strecke Kryoneri – Agrinio.


    Aus den Tiefen des Internets habe ich mir damals im Zuge der Reisevorbereitung diese Peloponnes-Karte heruntergeladen, wo die Spurweite durch die Strichstärke repräsentiert wird.

    Dateien

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  • Ich war vor Jahren einmal in Nafplion / Nauplia.


    Dort war das Aufnahmsgebäude und eine Dampflok noch erhalten - die Strecke selbst war schon stillgelegt.
    Ich habe davon noch ein paar Papierbilder.


    +)

  • Schöne Bilder, toller Bericht, klasse Reise....... :thumbsup:


    Ich habe 1989 mit einem Kumpel eine Interrail - Tour (damals gabs noch einen Pass für ganz Europa) nach Griechenland gefahren. Von Athen dann mit dem Schmalspurzug, welcher hier im DSO-Forum Tw-Züge von MAN und GANZ auf der Peloponnes-Bahn erstes Bild bebildert ist, über die Peloponnes nach Kalamata (liegt im Südwesten der Peloponnes - siehe auch Karte im posting # 1) später dann weiter nach Patras und von dort mit dem Schiff nach Bari usw.. War eine super Tour, an die ich mich gerne erinnere und dieser Thread (danke 410-freak) hat diese Erinnerungen wieder geweckt. :rolleyes:


    Wir hatten natürlich keine Platzreservierung, Zug war vollbesetzt und so standen wir die ganze Fahrt am Fenster, im Gang später dann im Speiseabteil mal ein Sitzplätzchen und auch auf der Toilette.


    Bilder? - tja die kompletten Filme - ja sowas war damals noch notwendig - sind irgendwie kaputt gegangen.......so bleibt eben nur die Erinnerung!

  • Ich war vor Jahren einmal in Nafplion / Nauplia.


    Dort war das Aufnahmsgebäude und eine Dampflok noch erhalten - die Strecke selbst war schon stillgelegt.


    Die Strecke wurde später wieder in Betrieb genommen, wurde aber Anfang 2011 erneut eingestellt. Im folgenden Teil des Reiseberichts wird das eh kurz erwähnt.




    Teil 2: Die Gebirgsstrecke von Korinthos nach Tripolis


    Der Nachtzug von Thessaloniki nach Athen wurde von zwei Dieselloks gezogen. Oberleitungen waren zwar auf einem großen Teil der Strecke vorhanden, aber eben nicht durchgehend. Das Projekt der durchgehenden Elektrifizierung zieht sich seit mittlerweile über 20 Jahren dahin und dürfte immer noch nicht abgeschlossen sein. Auf einigen Abschnitten ist die Fahrleitung schon fertiggestellt, ist aber inzwischen – ohne je benützt worden zu sein – schon wieder so heruntergekommen, dass sie vor der Inbetriebnahme erst erneuert werden müsste. Ein guter Teil der vor 20 Jahren euphorisch bestellten Eloks steht ohne Verwendung in Thessaloniki herum und verrottet langsam…


    Am 14.5.2010 in der Früh traf der Zug in der griechischen Hauptstadt ein. Der Bahnhof wirkte mickrig und einer der bekanntesten Stätze Europas nicht würdig; er verfügte lediglich über einen Hausbahnsteig und einen Mittelbahnsteig. Unser Zug "landete" am Mittelbahnsteig.


    Man muss allerdings dazusagen, dass ein beachtlicher Teil des Reisezugverkehrs von und nach Athen bis 2004 auf schmaler Spur abgewickelt wurde – die Schmalspurbahn besaß in der Nähe des normalspurigen Bahnhofs (auch als Larissa-Bahnhof bekannt) einen eigenen Bahnhof (Peloponnes-Bahnhof), der aber bei unserem Besuch bereits stillgelegt war. Neben dem Mittelbahnsteig waren auf dem Gelände des ehemaligen Güterschuppens einige neue Bahnsteige im Bau (die erst 2017 in Betrieb genommen wurden).


    Zwei Vorortezüge.


    Ein IC nach Thessaloniki. Die Wagen im in ganz Südosteuropa weit verbreiteten Grafiti-"Design" (wobei man damals die ursprüngliche Lackierung zumindest noch erahnen konnte, heute ist das nicht mehr der Fall) sind übrigens, wie man anhand der eckigen Dachform erahnen kann, mit den Modularwagen und den Railjet-Wagen der ÖBB verwandt.


    Über die 2005 eröffnete normalspurige Neubaustrecke ging es nach Korinthos.



    (Ausschnitt aus dieser auf Wikipedia veröffentlichten Karte von Maximilian Dörrbecker: Klick)


    Während die alte Schmalspurstrecke eine reizvolle Streckenführung entlang Küste mit ihren teilweise senkrechten Felswänden besaß und prächtige Ausblicke zu bieten hatte, verläuft die neue Strecke immer dann, wenns spektakulär werden würde, im Tunnel. Wie bei Neubaustrecken international üblich, sind die Bahnhöfe großteils fernab der Siedlungen angelegt. Die Schmalspurstrecke wurde übrigens nur im urbanen Bereich von Piräus und Athen abgetragen. Ab Agioi Anargyroi (Industriegebiet in der Nähe Athens) sind die Schmalspurgleise für den Güterverkehr erhalten geblieben. Ob davon auch Gebrauch gemacht wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Südlich von Athen wurde die Trasse zumindest sinnvoll verwendet (für den zweigleisigen Ausbau der parallelen Normalspurstrecke, in Piräus wurde der verkehrsgünstiger gelegene Meterspurbahnhof auf Normalspur umgebaut).
    Immerhin geht die Reise auf der Neubaustrecke recht schnell. Etwa eine Stunde nach der Abfahrt in Athen waren wir in Korinthos. Einst war das ein Knotenpunkt der schmalspurigen Peloponnes-Bahnen; hier trennte sich die Strecke entlang der nördlichen und westlichen Peloponnes-Küste nach Patras und weiter nach Pyrgos und Kyparissia von der Richtung Südwesten führenden Strecke nach Tripolis und Kalamata. Im Zuge der Umspurung der Strecke nach Patras wurde in Korinthos ein neuer Bahnhof errichtet. Da eine Umspurung der Strecke nach Tripolis – Kalamata noch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen wurde, wurde der neue Bahnhof Korinthos mit normal- und meterspurigen Gleisen ausgerüstet. Hier begegneten wir erstmals einem Schmalspurfahrzeug – und zwar einer der 1965 gebauten Alco-Dieselloks.


    Für uns ging die Reise mit dem im Hintergrund sichtbaren, 2004 aus der Schweiz importierten GTW weiter. Es stand die Besichtigung der aufwendig trassierten Gebirgsstrecke nach Tripolis am Programm. Diese Strecke hatte eine umfassende Sanierung hinter sich und war erst im August 2009 wieder in Betrieb genommen worden. Die Fortsetzung nach Kalamata wurde zwar bis Ende 2009 ebenfalls de facto neu gebaut, wurde allerdings unverständlicherweise nicht mehr in Betrieb genommen.


    Beim Blick aus dem Fenster zeigten sich bald die ersten Berge.


    Nach der Überwindung des ersten Höhenzuges gelangte der Zug nach Argos. Dort zweigte eine Stichstrecke nach Nafplio am Meer ab. Diese Strecke war nach mehreren Jahren ohne Verkehr in den 90er-Jahren zu einem neuen Endpunkt am Hafen wieder in Betrieb genommen worden. Eine Besichtigung dieser Stichstrecke ging sich für uns leider nicht aus.
    Im Bahnhof Argos standen Relikte der umfassenden Streckensanierung herum.



    Unser Zug: Vorderer Zugteil nach Tripolis, hinterer Zugteil nach Nafplio.


    Die Klimaanlage des GTW war angesichts der Außentemperaturen ein Segen. Die verschlossenen (aber immerhin sauberen) Fenster waren beim Fotografieren allerdings hinderlich.


    In Andritsa mussten wir ein paar Minuten auf den Gegenzug warten.


    Da war er schon.


    Danach umrundete der Zug den Talkessel von Achladokampos, wobei einige beeindruckende Kunstbauten befahren wurden. Die Brücken im Hintergrund wurden ein paar Minuten nach dieser Aufnahme von unserem Zug überquert.


    Eine besonders beeindruckende Brücke wurde im zweiten Weltkrieg zerstört. Als Provisorium wurde eine Ersatzstrecke mit Spitzkehre gebaut, die bis zur Inbetriebnahme der neuen Brücke 1972 in Betrieb blieb. Die provisorische Strecke wurde aber nicht abgetragen, sondern zum Abstellen alter Garnituren verwendet.


    Und wieder die Fehlermeldung, dass Beiträge maximal 10 000 Zeichen haben dürfen – Fortsetzung daher im nächsten Posting ;)

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  • Zwischenzeitlich waren der Lokführer und der Beimann auf uns offenbar Eisenbahninteressierte aufmerksam geworden und luden uns in den Führerstand ein. Dort war es zu viert zwar recht eng, aber die Ausblicke waren interessant.







    Bei der Einfahrt in den Bahnhof Partheni.


    Das Bahnhofsgebäude des Zugendbahnhofs Tripolis war sehr schön.


    Auch mit Zug.


    Und die Gleisanlagen waren durchaus interessant. Links das Empfangsgebäude mit den beiden Personenverkehrsbahnsteigen, hinter der Baumgruppe ein Güterschuppen, rechts dahinter vom Baum verdeckt ein kleiner Lokschuppen und Abstellgleise (sogar mit Drehscheibe), ein Gleisdreieck und noch weiter rechts hinter den Güterwagen ein paar weitere Abstellgleise bzw. Schrottgleise mit ausgemustertem Rollmaterial.


    Der rundherum von Gleisen umgebene Güterschuppen von der Nähe.


    Der Lokschuppen mit zwei abgestellten GTWs.


    Die kleine Drehscheibe, Draisinen und eine Alco-Diesellok.


    In Mitteleuropa wird ausrangiertes Rollmaterial in den meisten Fällen recht bald verschrottet. In Griechenland war diese Praxis offenbar nicht so verbreitet, die nicht mehr benötigten Fahrzeuge wurden irgendwo abgestellt und dem Verfall preisgegeben. In Tripolis befand sich so ein Fahrzeugfriedhof.


    Bei der Dampflok dürfte es sich um eine USATC (United States Army Transportation Corps) Typ S 118 handeln. Der Triebwagen daneben wurde 1952 von der Elsässer Firma DeDietrich hergestellt.


    Dieser 1937 bei Linke-Hofmann-Busch gebaute Triebwagen kann eine gewisse Verwandtschaft mit den etwa zur gleichen Zeit für die Deutsche Reichsbahn gebauten Schnelltriebwagen SVT 137 nicht leugnen. Die gelbe Draisine links stammt übrigens von der RhB – keine Ahnung, was die so weit im Süden gemacht hat, Urlaub wird es eher nicht gewesen sein


    Dieser Wagen erinnert mich von der Bauart her ein wenig an Fahrzeuge österreichischer Lokalbahnen.


    Die teilweise bemerkenswert komfortabel ausgestatteten Fahrzeuge waren innen natürlich devastiert.


    Noch zwei interessante Draisinen.



    Nach dem Aufenthalt in Tripolis fuhren wir wieder zurück nach Korinthos. Von dort ging es dann nach Diakopto, wo am nächsten Tag die Besichtigung der Zahnradbahn nach Kalavrita am Programm stand. Doch mehr dazu im nächsten Teil.



    Kommentare, Fragen, Anregungen etc. sind natürlich gerne gesehen


    lg 4010-freak

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  • Teil 3: Die Zahnradbahn Diakopto – Kalavrita


    Die Zahnradbahn von Diakopto nach Kalavrita ist mit ihrer Spurweite von 750 mm mit dem restlichen peloponnesischen Schmalspurnetz nicht kompatiblel. Auf 22 km Streckenlänge überwindet sie mithilfe von Zahnstangen nach System Abt mit bis zu 140‰ Steigung 712 Höhenmeter. Sie stand immer wieder auf der Einstellungsliste, da sie wirtschaftlich abgesehen vom Tourismus kaum noch eine Bedeutung hat. 2007 wurden jedoch bei Stadler neue Triebwagen beschafft, 2008/09 wurde die Strecke grundlegend saniert. Mittlerweile ist die Strecke eine beliebte Touristenattraktion und ist sogar eine der wenigen Strecken, die die große Eisenbahn-Einstellungswelle Anfang 2011 überlebt hat.


    Der 15.5.2010 begann regnerisch. In der Früh begaben wir uns zum Bahnhof. Auf der Rückseite des prachtvollen Bahnhofsgebäudes befanden sich die meterspurigen Gleise der Hauptstrecke Athen – Patras.


    In unmittelbarer Nähe warfen wir einen Blick auf des Depot der Zahnradbahn, wo drei weitere Neubautriebwagen bereitstanden.


    Nicht sonderlich fotogen standen auch ein paar Fahrzeuge der Vorgängergeneration abgestellt.


    Diese ab 1959 beschafften Fahrzeuge haben einen elektrischen Antrieb. Da das Geld für eine Elektrifizierung fehlte, wurden kleine zweiachsige Generatorwagen dazugekauft. (Foto vom 23.5.2010)


    Eine optisch aufgefrischte Dampflok war auf einem Gleisstutzen als Denkmal aufgestellt. In Kalavrita befindet sich übrigens noch eine betriebsfähige Dampflok, die für Sonderfahrten eingesetzt werden kann. Die restlichen vier der ursprünglich sechs Dampfloks standen dem Verfall preisgegeben im Gleisvorfeld des Bahnhofs Diakopto herum. (Wir erinnern uns: In Griechenland werden nicht mehr benötigte Eisenbahnfahrzeuge offenbar nur selten verschrottet.)


    Mit dem im ersten Bild gezeigten Neubau-Triebwagen traten wir die Reise an. Die Strecke ist landschaftlich sehr reizvoll und verläuft großteils in der canyon-artigen Schlucht des Vouraikos-Flusses. Ein paar Landschaftsbilder.



    Plötzlich blieb der Zug auf einem Viadukt stehen. Der Triebfahrzeugführer stieg aus und räumte etwas Geröll von der Strecke.


    Nach kurzem Aufenthalt ging es wieder weiter.




    Etwa auf halber Strecke befindet sich der Bahnhof Mega Spileon, der das gleichnamige Kloster (ein bedeutendes griechisches Nationalheiligtum) erschließt.


    Der Füllungsgrad des Zuges war beachtlich. Es handelte sich übrigens keineswegs um klassische Eisenbahnfreunde, sondern um "normale" Touristen.


    Im Endbahnhof.


    Bei der Rückfahrt ergatterten wir den Platz hinter der Glasscheibe zum Führerstand.


    Wie die Strecke in die senkrechten Felswände geschlagen wurde, ist bemerkenswert.


    Interessante Felsformation.



    Wieder zurück in Diakopto begaben wir uns auf die Meterspurseite des Bahnhofs. Die Schilder waren nicht mehr ganz aktuell, in Betrieb war nur noch die Strecke nach Patras; Richtung Athen musste man hier in die Schienenersatzverkehrsbusse umsteigen, die einen ins ca. 60km entfernte Kiato brachten, wo man in die Züge der neuen Normalspurstrecke umsteigen konnte.


    Zwei 1991 von MAN gebaute Triebwagen. Links die IC-Variante mit 1. Klasse und (seitdem die Peloponnes-Bahnen "ihre" Halbinsel nicht mehr verlassen stillgelegtem) Buffet, rechts die Nahverkehrsvariante, die es nahezu baugleich auch auf Normalspur gibt. Der Nahverkehrszug war gerade aus Patras eingetroffen und überließ seine Fahrgäste dem Schienenersatzverkehrsbus, der IC-Triebwagen stand bereits für seine Fahrt nach Pyrgos bereit.


    Wir setzten unsere Reise mit dem IC-Triebwagen fort. Um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden, werde ich diese Strecke erst im übernächsten Teil beschreiben. Stellvertretend ein Bild vom Endbahnhof des Zuges.


    Nachdem wir, wie bereits erwähnt, die Tage zwischen den beiden verlängerten Wochenenden nicht frei bekommen hatten, mussten wir nun die Rückfahrt nach Wien antreten. Davor machten wir noch eine kleine Sightseeing-Tour in Athen – aber mehr dazu gibt es im nächsten Teil.



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  • Teil 4: Athen-Wien-Athen: Für Wochenpendler etwas zu weit…


    Am Nachmittag/Abend des 15.5.2010 unternahmen wir noch eine kleine Sightseeing-Tour in Athen. Ich mag euch nicht mit 0815-Touristenfotos aus der griechischen Hauptstadt langweilen, aber ein Bild der beleuchteten Akropolis muss einfach sein.


    Nun stand eine "kleine" Pendelfahrt nach Wien am Programm – das war leider notwendig, da die Verpflichtungen des Alltags riefen. Ein Platz im Nachtzug nach Thessaloniki war, wie bereits zwei Tage zuvor, nur beim Schaffner gegen ein kleines Trinkgeld zu bekommen. Am Schalter in Athen hatte man nämlich kein Interesse am Verkauf einer Reservierung.
    Am 16.5.2010 trafen wir in der zweitgrößten Stadt Griechenlands ein. Die Beschilderung der Züge erfolgte noch klassisch mit metallenen Zuglaufschildern.


    Der D 336 "Olympus" nach Beograd stand bereits bereit. Die Strecke von Thessaloniki zur mazedonischen Grenze war eine der wenigen elektrisch betriebenen Strecken des Landes, die Züge nach Beograd (damals gab es einen Tag- und einen Nachtzug) dürften auch die einzigen Fernverkehrszüge mit Elektrotraktion des Landes gewesen sein.


    An der mazedonischen Grenze endete das Einsatzgebiet der griechischen Lok. Die beiden mazedonischen Loks, die ab hier die Traktion übernahmen, waren mit den drei Wagen nicht gerade überfordert.


    Unterwegs begegneten wir dem Nachtzug Beograd-Thessaloniki, den D 335 "Hellas Express", der im Sommer sogar Kurswagen aus Prag, Budapest und Moskau mitführte.


    Ab Skopje wurde der Zug nur noch von einer Lok gezogen. Komischerweise wurde nicht die vordere sondern die hintere Lok abgestellt, was natürlich umständliche Verschubbewegungen mit sich brachte.


    Unmittelbar nach dem Bahnhof Skopje querte der Zug den Fluss Vardar.


    An der serbischen Grenze in Tabanovci fand wieder ein Lokwechsel statt. Es ist schon verrückt: Während man in unseren Breiten danach trachtet, Lokomotiven auch über Staatsgrenzen hinweg einsetzen zu können und dafür zur Überwindung technischer Barrieren sogar extra Mehrsystemlokomotiven beschafft, wird dort ohne jeglicher technischer Grundlage (bis 1991 war Mazedonien ein Teil Jugoslawiens und die Lokomotiven der JŽ fuhren selbstverständlich durchgehend im ganzen Wechselstromnetz) die Lok getauscht. Noch absurder ist es nur noch in Bosnien, wo sogar innerhalb des Landes an den Grenzen zwischen den beiden Entitäten von einer Lok der ŽFBH auf eine baugleiche Lok der ŽRS gewechselt wird… Aber ich komme vom Thema ab. Jedenfalls war die mazedonische Lok weg, die Grenzkontrollen waren fertig, aber von einer serbischen Lok war nichts zu sehen. Nach einer Dreiviertelstunde fragte ich einen am Bahnsteig auf und ab spazierenden Eisenbahner nach dem Verbleib der Lok. Er zuckte mit den Schultern und meinte nur "Srbija"…
    Nach über einer Stunde tauchte endlich eine serbische Lok auf.


    Kreuzung mit einem Güterzug.


    Bald darauf gab es wieder eine Pause. Der Zug stand in einem kleinen Bahnhof vor einem roten Signal. Niemand wusste, wann es weitergeht. Nach einer halben Stunde gingen Lokführer, Schaffner und Stationsvorsteher gemeinsam auf einen Kaffee; ich traute mich, ein Foto des Zuges von außen zu machen.


    Nach einer knappen Stunde ging es dann doch weiter. Etwas weiter nördlich kam unser Gegenzug, der D 337 "Olympus" Beograd-Thessaloniki, entgegen.


    Die Region hat die Regenfälle des Vortages offenbar nicht ganz verkraftet.


    In Niš sahen wir die bei Goša gebauten Uerdinger Lizenz-Schienenbusse, deren Bezeichnung im ehemaligen Jugoslawien nicht bedeutungsgetreu sondern lautgetreu mit „Šinobus“ übersetzt wurde.


    Vermutlich in Lapovo stand dieser Regionalzug, der womöglich auf der Strecke nach Kraljevo und weiter in den Nordteil des Kosovo im Einsatz war. Beachtenswert ist die hohe Anzahl an Eisenbahnern.


    Mit über drei Stunden Vespätung (bei einer planmäßigen Fahrzeit von 12 Stunden und 9 Minuten) erreichten wir schließlich Beograd. Zum Glück war der dortige Anschluss nach Budapest und Wien mit (planmäßig) dreieinhalb Stunden Übergangszeit großzügig bemessen… Somit trafen wir wie vorgesehen am Montag, dem 17.5.2010, in der Früh in Wien ein.



    Am Freitag, dem 21.5.2010, begaben wir uns wieder zum Wiener Westbahnhof, um den Griechenland-Urlaub fortzusetzen. Als Einstimmung auf die Eisenbahnen am Balkan fuhr der Zug gleich mit Verspätung ab – unser Liegewagen war defekt und musste noch am Westbahnhof getauscht werden.
    Am 22.5.2010 in der Früh schlich der Zug mit wenig mehr als Schrittgeschwindigkeit durch das marode und zugewachsene Gleisvorfeld des Bahnhofs von Beograd.


    Vor dem bereits im ersten Teil erwähnten Rundlokschuppen unter der Schnellstraßenbrücke überraschte uns eine angeheizte Dampflok. Beachtenswert ist auch das Dach des ehemaligen Personenwagens rechts im Bild.


    In der Abstellgruppe standen ein paar Wagen aus Montenegro herum. Sie wirkten bestens gepflegt – im krassen Gegensatz zu den serbischen Wagen…


    Apropos Zustand der serbischen Wagen: Fehlende Kopf- und Armlehnen oder aufgeschlitzte Sitzpölster in den Abteilen sowie fehlende/kaputte Klobrillen, Waschbecken und Spiegel auf den schon länger nicht mehr gereinigten WCs waren keine Ausnahmeerscheinung. Besonders kreativ fand ich diesen Feuerlöscher.


    Mit dem D 337 ging es wieder nach Thessaloniki. Hier ein Bild aus Niš. Die Lok war sechs Jahre nach der Umbenennung in "Železnice Srbije" noch immer mit dem bis 2004 gültigen Kürzel JŽ beschriftet. Und dem Fabriksschild nach handelte es sich um eine der Loks, deren mechanischer Teil bei SGP in Österreich gebaut wurde.


    In Mazedonien wurde der Zug natürlich von einer mazedonischen Lok gezogen. Diese Lok auf diesem Bild aus Skopje ist baugleich mit der serbischen Lok vom vorigen Bild und kam nach dem Zerfall Jugoslawiens nach Kroatien, von wo aus sie 2001 nach Mazedonien verkauft wurde. Die bewegte Geschichte dieser Lok zeigt einmal mehr die Absurdität der Lokwechsel an den Grenzen der Nachfolgestaaten Jugoslawiens…


    Ein entgegenkommender Personenzug irgendwo im Süden Mazedoniens.


    Am späten Abend erreichten wir (natürlich mit Verspätung) Thessaloniki, wo wir – wieder gegen eine kleine Spende an den Schaffner – einen Platz im Nachtzug nach Athen bekamen.
    Für die nächsten zwei Tage stand die Erkundung der nördlichen und westlichen Strecken des Schmalspurnetzes am Peloponnes am Programm – mehr dazu im nächsten Teil.



    Kommentare, Fragen, Anregungen etc. sind natürlich gerne gesehen


    lg 4010-freak

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    Die Reihe 4010 (1965-2008). Der wahrscheinlich schönste Triebzug der Welt.

  • Hallo 4010 Freak,


    Dank dir wieder für die schönen Eindrücke deiner Reise. Speziell die Schmalspurzahnradbahn mit ihrem natürlichen Steinschlaggalerie, einfach Spitze!
    Und auch die 441 Lok sind schön anzusehen


    LG
    Manfred

  • Teil 5: Die nordwestliche Hauptstrecke Diakopto-Pyrgos-Kalamata


    Am 23.5.2010 erreichten wir Athen. Auf der erst wenige Jahre zuvor eröffneten normalspurigen Neubaustrecke fuhren wir auf die "Schmalspur-Halbinsel". Nachdem wir bei der ersten Tour ein paar Tage zuvor die Strecken Korinthos – Tripolis und die Zahnradbahn Diakopto – Kalavrita erkundet hatten, standen an diesem Tag sowie am Folgetag die Besichtigung der westlichen Teile des peloponnesischen Schmalspurnetzes (also die Strecke nach Kalamata sowie die Zweigstrecken nach Messini, Katakolo und Olympia) am Programm.



    (Ausschnitt aus dieser auf Wikipedia veröffentlichten Karte von Maximilian Dörrbecker: Klick)


    Als die Normalspurstrecke im Juli 2007 nach Kiato verlängert wurde, konnte man dort noch in die Meterspurzüge nach Patras umsteigen. Die Schmalspurstrecke wurde dazu extra in den neuen Bahnhof eingebunden.


    Dieser Zustand hielt nicht einmal ein Jahr an. Für den Weiterbau der Normalspurstrecke nach Patras (der übrigens bis heute nicht abgeschlossen ist!) werden nämlich Teile der Trasse der Schmalspurbahn verwendet, sodass ein Weiterbetrieb der Schmalspurbahn seit dem Beginn der Bauarbeiten nicht mehr möglich ist. Bei unserem Besuch 2010 mussten wir leider bereits mit dem Schienenersatzverkehrsbus vorlieb nehmen.


    Diese Bahndienstfahrzeuge zogen meine Aufmerksamkeit auf sich – vor allem der Güterwagen. Vielleicht sind die von der Zinkpest betroffenen Güterwagen der Firma Klein Modellbahn doch gar nicht so vorbildfrei?


    Der Bus fuhr damals bis Diakopto, seit der Einstellung nahezu aller Schmalspurstrecken Anfang 2011 fährt er gleich bis Patras. Was aus Fahrgastsicht sicherlich komfortabler ist als ein nochmaliger Umsteigezwang. Uns war das aber nicht Unrecht, wollten wir doch einen möglichst großen Teil der schmalspurigen Peloponnes-Bahn bereisen.


    Der Zug nach Kalamata, bestehend aus einem der 10 1991 bei MAN gebauten IC-Triebwagen, stand schon bereit. Auf der Rückseite des Bahnhofsgebäudes befanden sich übrigens die Gleise der Zahnradbahn Diakopto-Kalavrita, die ich im Teil 3 beschrieben habe.


    Palmen und Sonnenschein – was will man mehr?


    Die Strecke verlief zunächst auf einem schmalen Streifen zwischen Gebirge und Küste und bot schöne Ausblicke aufs Meer. Die beengten Platzverhältnisse waren auch der Grund dafür, dass die Normalspurstrecke dort großteils genau auf der Meterspurtrasse errichtet wurde und daher die Schmalspurbahn bereits zu Beginn der Umbauarbeiten eingestellt werden musste.



    Wo genau dieser Güterwagen abgestellt war, weiß ich nicht mehr – vermutlich war es in Egio.


    Ein eindrucksvolles ausgetrocknetes Flussbett wurde gequert.



    Kurz vor Patras erblickte man eine lange Schrägseilbrücke. Diese 2004 eröffnete Straßenbrücke überspannt die Meerenge von Rio-Andirrio.


    Unweit des kleinen Örtchens Andirrio auf der anderen Seite der Meerenge ist übrigens der Ausgangspunkt der ebenfalls meterspurigen Bahnstrecke Kryoneri – Agrinio. Einst war sie mit einer Eisenbahnfähre von Patras nach Kryoneri an das Netz der Peloponnes-Bahnen angebunden, wurde aber 1970 stillgelegt. Völlig überraschend wurde die Strecke ab ca. 2003 umfassend saniert, es wurde hierzu vermutlich Material der frisch umgespurten thessalischen Eisenbahnen verwendet. Sogar ein nagelneuer GTW von Stadler wurde dorthin gebracht. Kurz vor dem Abschluss der Modernisierungsarbeiten (es fehlten nur noch einige Bahnsteige und ein paar andere Kleinigkeiten) wurde das Projekt wieder verworfen und der Triebwagen übersiedelte auf die Peloponnes-Strecken. Seither liegt die komplett erneuerte Schmalspurstrecke brach. Ein weiteres Paradebeispiel dafür, wie sinnvoll in Griechenland mit öffentlichen Geldern umgegangen wurde…


    Bald nach dem auf wenig Platz zwischen Stadt und Meer eingebetteten kleinen Bahnhof Patras fuhr der Zug am Depot Agios Andreas vorbei. Dort stand die wieder in Originalfarben lackierte 1965 gebaute Alco-Diesellok A.9101.


    Im ehemaligen Güterbahnhof von Patras standen einige nicht mehr benötigte Fahrzeuge, die zum Teil von afrikanischen Flüchtlingen mit einfachsten Mitteln zu slum-artigen Behausungen umgebaut wurden. Tja, die Flüchtlingskrise existiert nicht erst seit 2015, nur hats halt davor in Mitteleuropa keinen interessiert…


    Der nächste bedeutende Zwischenbahnhof war Pyrgos. Von dort zweigen die Stichstrecken nach Katakolo und Olympia ab.


    Vor und nach Pyrgos verlief die Strecke etwas von der Küste entfernt durch eine recht flache Landschaft. Der Zustand der Strecke war übrigens nicht sonderlich gut; nachdem noch nicht entschieden war, ob die neue Normalspurstrecke nach der Fertigstellung bis Patras weiter Richtung Südwesten verlängert werden soll, wurde in die Meterspurstrecke nicht mehr viel investiert. Die schlechte Gleislage hätte eigentlich kilometerlange Langsamfahrstellen gerechtfertigt, womöglich gab es sie sogar offiziell. Der Zug fuhr trotzdem recht flott vor sich hin und lief auch dementsprechend unruhig. Wie ich ein paar Monate nach unserer Reise gelesen habe, gab es bei der griechischen Bahn großzügige Pünktlichkeitszulagen fürs Fahrpersonal. Als die dann eingespart wurden, waren plötzlich große Verspätungen an der Tagesordnung…


    Auf dem folgenden Streckenabschnitt durchquerte die Strecke eine Gegend, die von den verheerenden Waldbränden 2007 betroffen war. Einzelne Bäume, die das Feuer überlebt haben, standen einsam in der inzwischen grasbewachsenen Landschaft.



    Der Bahnhof von Zacharo im regionaltypischen Baustil.


    Nun verlief die Strecke wieder entlang der Küste.


    Knapp sieben Kilometer vor dem Endpunkt der nordwestlichen Hauptstrecke Athen – Korinthos – Patras – Pyrgos – Kyparissia zweigte im kleinen Bahnhof Kalonero die Verbindungsstrecke nach Zevgolatio ab, wo die südöstliche Hauptstrecke Athen – Korinthos – Tripolis – Kalamata erreicht wurde. Diese Strecke, die die beiden Hauptstrecken zu einem geschlossenen Ring verband, war lange Zeit auf der Einstellungsliste. Als wegen der Umstellung auf Normalspur die Schmalspurstrecke zwischen Korinthos und Kiato unterbrochen wurde, erlangte diese Verbindungsstrecke eine neue Bedeutung um das verbliebene Schmalspurnetz auf der Halbinsel nicht in zwei Teile zu reißen. Unser Zug ließ Kyparissia rechts liegen und fuhr über diese Verbindungsstrecke weiter nach Kalamata. Ein Gleisdreieck südlich des Bahnhofs Kalonero ermöglichte auch direkte Fahrten von Kyparissia Richtung Kalamata. Es schaute aber nicht so aus, als ob davon noch Gebrauch gemacht worden wäre.


    Die Verbindungsstrecke führte nach Osten in gebirgiges Gelände.




    In Zevgolatio mündete sie in die bis 2009 komplett sanierte Strecke aus Korinthos – Tripolis. Den Abschnitt bis bis Tripolis hatten wir bereits ein paar Tage vorher befahren (siehe Teil 2), auf dem anschließenden Abschnitt Tripolis – Zevgolatio wurde völlig unverständlicherweise der Personenverkehr nicht mehr wiederaufgenommen.


    Im Bahnhof Zevgolatio standen noch ein paar Baufahrzeuge herum.


    Ein abgestellter Personenwagen vor Kalamata.


    Im völlig zugewucherten Depot von Kalamata waren ein paar Triebwagen abgestellt.


    Im Zugendbahnhof Kalamata. (Das war zwar nicht die Garnitur, mit der wir angekommen waren, sondern die, mit der wir später zurückgefahren sind – aber das tut ja nichts zur Sache.)


    Die Zweigstrecken nach Messini, Katakolo und Olympia werde ich im nächsten Teil vorstellen.



    Kommentare, Fragen, Anregungen etc. sind natürlich gerne gesehen


    lg 4010-freak

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    Die Reihe 4010 (1965-2008). Der wahrscheinlich schönste Triebzug der Welt.

  • Hab mmir mit dem Lesen deines Berichtes aus veschiedenen Gründen Zeit gelassen und sie mir heute gennommen: sehr eindrucksvoll!!!! Danke

    Nicht eigens gekennzeichnete Fotos sind von mir, bzw. aus meinem Archiv und ich habe die Erlaubnis sie zu veröffentlichen.

  • Hallo 4010-Freak!


    Ein ganz toller Reisebericht mit sehr vielen wunderschönen Aufnahmen!
    Einfach Klasse! Danke!


    Als "alter" Griechenlandfahrer habe ich auch einmal so einen Bericht zusammengestellt.
    Damals fuhren auf der Peloponess noch fast alle Schmalspurbahnen (ausser nach: Messini, Katakolo, Killini, Megalopolis).
    http://www.styria-mobile.at/ho…dex.php/topic,1588.0.html


    HG Kurt

    Der Empedokles (ital. Empedocle) ist ein Unterwasservulkan in der Straße von Sizilien. Die höchste Erhebung liegt rund 7 bis 8 Meter unter der Meeresoberfläche. Ein starker Ausbruch des Empedokles könnte einen Tsunami auslösen.

  • Freut mich, wenns gefällt! :)
    Und danke auch für die Verlinkung deines Reiseberichts!


    Der folgende Teil ist der letzte, in dem es um die Schmalspurbahnen geht. Mit einem weiteren Teil, der die Rückfahrt behandelt, werde ich euch dann noch belästigen +:


    Teil 6: Die Zweigstrecken nach Messini, Katakolo und Olympia


    Die ca. fünf Kilometer kurze Strecke von Kalamata nach Messini wurde in den 70er-Jahren eingestellt, aber nicht abgetragen. 2007 oder 2008 wurde sie als "S-Bahn" im Stundentakt wieder in Betrieb genommen.



    (Ausschnitt aus dieser auf Wikipedia veröffentlichten Karte von Maximilian Dörrbecker: Klick)


    Unmittelbar nachdem wir am 23.5.2010 mit dem Zug aus Diakopto – Patras – Pyrgos angekommen waren, fuhren wir mit der Nahverkehrs-Version der MAN-Triebwagen nach Messini.


    Die Strecke fiel jedoch – wie fast alle Strecken auf der Halbinsel – trotz guter Auslastung dem Sparprogramm Anfang 2011 zum Opfer. Schade, denn diese Strecke erschloss einige neu aussehende Siedlungen.


    Sowas sieht man bei uns auch nicht sonderlich oft:


    Unterwegs fiel diese Lok auf. Derartige Loks werden sonst üblicherweise auf Stollenbahnen bei größeren Tunnelbaustellen eingesetzt.


    Der Triebwagen im Endbahnhof Messini.


    Der Aufkleber über den Türen verriet, dass das Fahrzeug einst auf der Strecke Piräus – Athen – Korinthos/Loutraki im Einsatz war.


    Nach einem herrlichen Mittagessen in einem kleinen Gasthaus in Kalamata begaben wir uns wieder zum Bahnhof. Der nach Messini pendelnde Triebwagen war inzwischen ausgetauscht worden.


    Wir hingegen fuhren wir wieder zurück nach Pyrgos. Unser Zug nach der Ankunft dort:


    Ein Stadler-GTW genoss die Abendsonne.


    Ebenso ein MAN-Triebwagen.


    Nach einer Übernachtung begaben wir uns am Morgen des 24.5.2010 wieder zum Bahnhof von Pyrgos. Der Verkehr auf der Strecke Katakolo – Pyrgos – Olympia wurde von Stadler-GTWs besorgt.


    Diese eigentlich aus zwei Stichstrecken bestehende Verbindung hat die große Einstellungswelle Anfang 2011 überlebt. Ihren Fortbestand verdankt sie den großen Kreuzfahrtschiffen, die in Katakolo anlegen und große Mengen an Touristen an Land lassen, die die historischen Ausgrabungsstätten in Olympia besichtigen. In dem kleinen Hafendorf mit ca. 500 Einwohnern sahen wir auch ein paar Ozeanriesen – alleine die vorne zu sehende MSC Magnifica bietet Platz für rund 2500 Passagiere und 1000 Besatzungsmitglieder.


    Der Triebwagen in der schlicht gehaltenen Haltestelle.


    Nach einer kurzen (~45 Minuten) und unspektakulären Fahrt spuckte der Zug die paar Fahrgäste im schön hergerichteten Bahnhof Olympia wieder aus.


    Die Drehscheibe war offenbar schon länger nicht mehr verwendet worden.


    Die Ausgrabungsstätten erreichte man nach einem kurzen Fußmarsch. Dort war auch eindrucksvoll zu sehen, mit welchem Verkehrsmittel der Großteil der Besucher anreist.


    Um euch nicht mit zu vielen Bildern der antiken Steinhaufen zu langweilen, zeige ich nur eine kleine Auswahl der bei der Besichtigung entstandenen Bilder.


    Riesige Besuchermengen wälzten sich durch die Sehenswürdigkeit, hier beim Eingang zum Stadion.


    Diese Bewohner der Ruinen fühlten sich bei dem warmen und sonnigen Wetter sichtlich wohl.


    Nach etwa vier Stunden kehrten wir wieder zum Bahnhof zurück, wo der Zug zurück zu den Kreuzfahrtschiffen schon bereitstand.


    Ab Pyrgos setzte er die Fahrt ohne uns fort.


    Wir schauten uns auf den dortigen Abstellgleisen um, wo wir die 1965 gebaute Alco-Diesellok A.9103 vorfanden.


    Die Kesselwagen hatten eine ungewohnte Bauart.


    Ein sehr interessanter Anblick war diese Dampflok.


    Bei den dahinter abgestellten Draisinen konnte ich mangels Fensterscheiben ungehindert Innenaufnahmen machen.



    1976 und 1985 wurden insgesamt 15 Triebwagengarnituren von Ganz-Mavag in Ungarn gebaut. Sie bewältigten zuletzt gemeinsam mit den 10 1991 bei MAN gebauten rot/beigen Triebwagen den IC-Verkehr von Piräus und Athen auf die Halbinsel. Diese Züge bewährten sich anscheinend nicht sonderlich gut und wurden spätestens mit der Umspurung der Strecke von Athen nach Korinthos und der Ablieferung der Stadler-GTW entbehrlich. Die Garnitur 6467 stand (leider nicht sonderlich fotogen) auf einem Abstellgleis.


    Mit einem der MAN-Triebwagen ging es über Patras zurück nach Diakopto.


    Knapp drei Stunden später erreichte er das damalige Ende der Schmalspurstrecke, wo wir in den Schienenersatzverkehrsbus umstiegen.


    Nun hieß es Abschied nehmen von den griechischen Schmalspurbahnen. Über Kiato und die neue Normalspurstrecke fuhren wir nach Athen und mit dem Nachtzug – natürlich wieder ohne offiziell dafür zu bezahlen – nach Thessaloniki. Über den weiteren Verlauf der Rückfahrt berichte ich im letzten Teil meines Reiseberichts.



    Kommentare, Fragen, Anregungen etc. sind natürlich gerne gesehen


    lg 4010-freak

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    Die Reihe 4010 (1965-2008). Der wahrscheinlich schönste Triebzug der Welt.

  • Da nach dem zweiten Versuch, das Forum neu aufzusetzen, extern eingebundene Bilder nun zum Glück wieder angezeigt werden, folgt auch die letzte Fortsetzung meines Griechenland-Reiseberichts.


    Übrigens lohnt es sich, auch die älteren Teile noch einmal anzuschauen – dank der neuen Forensoftware werden die Bilder nun auch ohne sie extra anzuklicken in voller Größe angezeigt.



    Teil 7: Rückfahrt mit Hindernissen


    Am 25.5.2010 starteten wir das vierte und letzte Mal zum Balkan-Transit von Thessaloniki nach Wien. Es sollte – quasi als krönender Abschluss – auch die ereignisreichste Balkanquerung dieses Urlaubs werden. Aber alles der Reihe nach.

    Um halb sechs in der Früh kam der auf der Gesamtstrecke von zwei Dieselloks gezogene Nachtzug aus Athen in Thessaloniki an.


    Der D 336 "Olympus" Thessaloniki – Beograd wurde bis zur griechisch-mazedonischen Grenze von einer E-Lok der Baureihe 120 gezogen. Diese Loks werden als Hellas-Sprinter bezeichnet und sind unübersehbar Abkömmlinge der Eurosprinter-Familie.


    Wie schon bei der letzten Fahrt mit diesem Zug übernahmen wieder gleich zwei mazedonische Loks den Zug. Diesmal waren es sogar sechsachsige Loks – also zwölf angetriebene Achsen für zwölf antriebslose Achsen.


    Begegnung mit dem Nachtzug aus Beograd, dem D 335 "Hellas-Express".


    Ab Skopje musste der kurze Zug – wie ein paar Tage vorher – mit einer Lok auskommen. Diesmal wurde aber nicht umständlich die hintere Lok ausgereiht, sondern einfach die vordere Lok weggestellt.


    Mit einer Verspätung im niedrigen zweistelligen Minutenbereich erreichten wir die serbische Grenze, wo mazedonische Lok der Reihe 361 gegen eine baugleiche serbische Lok der Reihe 361 getauscht wurde. Der Lokwechsel dauerte diesmal nur wenige Minuten (und nicht eine gute Stunde wie eine Woche davor). Auch danach verlief die Fahrt zunächst ohne besondere Vorkommnisse, der Zug fuhr mit einer konstanten Verspätung von rund 30 Minuten (also für dortige Verhältnisse quasi pünktlich) vor sich hin. War es denn wirklich möglich, dass von vier Fahrten quer durch den Balkan zumindest eine ohne nennenswerter Verspätung vonstatten geht? Die Antwort ist ganz einfach und lässt sich mit vier Buchstaben zusammenfassen: Nein.

    Wie schon eine Woche zuvor hatte der Zug wieder in einem kleinen Bahnhof, wo er laut Fahrplan gar nicht halten sollte, einen längeren Aufenthalt. Diesmal gab es kein rotes Signal, es gab auch kein gemeinsames Kaffeekränzchen der Eisenbahner. Stattdessen stand die Zugmannschaft um die Lok versammelt, der Lokführer versuchte offenbar, irgendwas zu reparieren. Es war erfolglos, wir mussten auf eine Ersatzlok warten.


    Nach einer guten Stunde ging es mit Vorspannlok weiter. Ich weiß nicht mehr genau wo, womöglich in Doljevac, erregte dieser Bauzugwagen auf Basis eines vierachsigen ÖBB-Spantenwagens meine Aufmerksamkeit.


    Dort kamen auch zwei Nahverkehrszüge entgegen. Zuerst diese Garnitur, dann ein Šinobus (so werden im ehemaligen Jugoslawien die Uerdinger Lizenz-Schienenbusse genannt). Heute ist der Nahverkehr in Serbien in fester Hand von Neubaufahrzeugen: Für elektrifizierte Strecken wurden Flirt-Triebwagen bei Stadler gekauft, für nicht elektrifizierte Strecken wurden bei der russischen Firma Metrowagonmasch neue zweiteilige Dieseltriebwagen beschafft.


    Mit fast zwei Stunden Verspätung trudelte der Zug in Niš ein.


    Wer sich eine möglichst zügige Weiterfahrt erwartet hat, wurde enttäuscht. Zunächst wurde einmal in aller Ruhe die defekte Lok samt Vorspannlok gegen eine andere Lok getauscht.


    Aber auch mit dem neuen Zugpferd ging es nicht weiter. Es wurde noch auf die ebenfalls nicht ganz in der vorgesehenen Zeitlage fahrenden Kurswagen aus Sofia und Istanbul gewartet… Keine Ahnung, warum unsere Wagen nicht inzwischen extra nach Beograd geführt wurden, eine Woche zuvor war das mit den damals offenbar pünktlicheren Wagen aus Bulgarien nämlich praktiziert worden. Womöglich stand diesmal keine Lok dafür zur Verfügung (da für unseren Zug ja eine Ersatzlok gestellt wurde). Während der Wartezeit zeigte sich auf einem Nachbargleis ein aus Schweden übernommener Y1-Triebwagen.


    Nach der Vereinigung mit dem aus Istanbul und Sofia kommenden Zugteil ging es dann endlich mit bereits fast drei Stunden Verspätung weiter Richtung Norden. Den Sonnenuntergang konnten wir im Zug genießen – war eh schöner als in den Häuserschluchten Belgrads, wo wir zu dem Zeitpunkt schon längst sein hätten sollen.


    Auf der weiteren Fahrt nach Beograd wurde die Verspätung noch größer. Langsam machten wir uns Sorgen um den Anschluss nach Budapest und Wien – wir hatten zwar von der Verspätungsanfälligkeit der Bahnen in der Gegend gelesen, hätten aber trotzdem nicht erwartet, dass dreieinhalb Stunden Übergangszeit zu knapp bemessen sein könnten. Wir waren aber zuversichtlich, immerhin hatte unser Zug seit Niš den Kurswagen Sofia-Wien dabei, der in Beograd auf den selben Anschluss wie wir angewiesen war.


    Die Befürchtungen bewahrheiteten sich jedoch. Als der Zug endlich am Zielort ankam, war der Anschlusszug längst über alle Berge. Wir erkundigten uns beim einzigen noch geöffneten Schalter über die weitere Vorgehensweise, ernteten aber nur Schulterzucken. Da wir die Nacht nicht unbedingt in der Bahnhofshalle gemeinsam mit den diversen dort "wohnenden" zwielichtigen Gestalten verbringen wollten, gingen wir zum noch am Bahnsteig stehenden bulgarischen Schlafwagen nach Wien, der den Anschluss ja ebenfalls versäumt hatte. Wir dachten uns, dass das wohl der beste Weg wäre um nach Wien zu kommen und erkundigten uns beim Schlafwagenschaffner nach freien Plätzen, woraufhin er uns ein Abteil zuwies. Die nicht gerade topmoderne aber durchaus komfortable Ausstattung des Wagens ließ Rückschlüsse auf die Geschichte des Fahrzeuges zu.


    Gerade als wir es uns bequem gemacht hatten, klopfte der Schaffner an der Tür und meinte: "Chefe, bezahlen." Wir zeigten ihm die Reservierung für den Liegewagen des verpassten Zuges. Wir gingen davon aus, dass die in unserem Fall auch für den Schlafwagen Sofia-Wien gültig war – so wie bei zuggebundenen Fahrkarten, die bei Anschlussbrüchen auch in anderen Zügen akzeptiert werden. Der Schaffner war offenbar anderer Meinung. Es war allerdings schwierig, mit ihm zu kommunizieren – er sprach kein Wort Englisch und seine Deutschkenntnisse beschränkten sich auf eine einstellige Anzahl von Worten. Nach einer maximal eine Minute langen "Diskussion" holte er einen Kollegen zur Hilfe. Dieser verfügte über gar keine Fremdsprachenkenntnisse und war offenbar nur geholt worden, um bei der gleich darauf folgenden Eskalation besser gerüstet zu sein. Der frisch hinzugekommene Kollege brüllte uns auf Bulgarisch an und ließ dann, nachdem das keinen Effekt hatte (wie auch, ich habe ja kein Wort verstanden), noch ein paar wüste Beschimpfungen los. Als er mich dann am Kragen packte und ich ihn wegstieß (ich bin zwar ein friedliebender Mensch, aber man muss sich nicht alles gefallen lassen) begannen die beiden Schaffner, auf uns einzuprügeln. Aus Selbstschutz flüchteten wir uns ins Abteil und verriegelten die Türe. Wutentbrannt schlugen und traten die beiden Bulgaren, bei denen offenbar alle Sicherungen durchgebrannt waren, von außen gegen die Abteiltüre. Dann holten sie einen dritten, kurz darauf einen vierten und etwas später noch einen fünften Kollegen. Auch die Polizei wurde verständigt, die beiden Polizisten schauten dem Geschehen vom Bahnsteig aus kurz desinteressiert zu und verschwanden dann wieder.

    Als einer der Schläger-Schaffner versuchte, von außen das Fenster zu öffnen während die anderen mit dem Brecheisen und Brachialgewalt am Schloss der Türe herumwerkten, bekamen wir langsam Angst…

    Die Türe erwies sich als einbruchsicherer als erwartet, trotz inzwischen schwerer Beschädigungen blieb sie zu unserem Glück widerspenstig. Dann hatte einer der Schläger-Schaffner sogar eine intelligente Idee: Er holte einen weiteren Kollegen – aber diesmal einen mit Englischkenntnissen. Der konnte das Problem dann in weniger als einer Minute lösen. Nach Anhörung der Anliegen von uns und von den Schaffnern erklärte er uns, dass die ÖBB-Reservierung im bulgarischen Wagen trotz Anschlussbruch nicht gültig sei, es aber in der Nähe des Bahnhofs ein von der serbischen Bahn betriebenes Hotel für gestrandete Bahnkunden (!) gibt, in dem wir kostenlos übernachten können. Ja, wenn man uns das gleich gesagt hätte oder es zumindest versucht hätte… Mit etwas gutem Willen und ein bisschen mehr Geduld als einer Minute wäre das auch ohne Eskalation und vermutlich auch ohne "Dolmetscher" gegangen, ein ganz klein wenig bin ich der slawischen Sprachen ja mächtig.


    Das Hotel der serbischen Bahn war nicht übermäßig toll ausgestattet, zum Schlafen reichte es aber. So konnten wir den kurzen verbliebenen Rest der Nacht doch noch ein Auge zudrücken.


    Die Begrenzung auf 10 000 Zeichen ist auch bei der neuen Forumssoftware noch vorhanden – Fortsetzung daher im nächsten Posting ;-)

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    Die Reihe 4010 (1965-2008). Der wahrscheinlich schönste Triebzug der Welt.

  • Der 26.5.2010 begann daher nicht wie planmäßig vorgesehen am Wiener Westbahnhof, sondern in Beograd. Der D 315 aus Villach erreichte gerade mit vierzigminütiger Verspätung den Zielbahnhof.


    Nur eine halbe Stunde zu spät war der D 341 "Beograd" aus Budapest mit den Kurswagen aus Wien.


    Mit dem IC 344 "Avala" Beograd-Praha fuhren wir nach Budapest. Ein Foto dieses Zuges mit Kurswagen nach Moskau und Kiev, das am 13.5. bei der ersten Anreise entstanden ist, habe ich im ersten Teil des Reiseberichts gezeigt.


    Wir ließen die beeindruckende Skyline der serbischen Hauptstadt hinter uns.


    Ein großes Straßenbahndepot am Stadtrand.


    Immerhin kamen wir durch den verpassten Anschluss in Beograd in den Genuss, die Strecke Beograd-Budapest bei Tageslicht zu sehen. Dieses Bahndienstfahrzeug in Novi Sad hätten wir wohl verschlafen.


    Ebenso dieses Schienenauto.


    Am ungarischen Grenzbahnhof Kelebia erblickten wir einen typischen ungarischen Nahverkehrszug.


    Der Gegenzug: Der IC 345 "Avala" aus Prag.


    In Budapest bekamen wir einen damals noch ganz neuen Flirt zu Gesicht.


    Unser Zug nach der Ankunft in Budapest mit 40 Minuten Verspätung.


    Der Anschluss mit dem Railjet nach Wien wurde selbstverständlich nicht erreicht. Aber immerhin fuhren die Züge nach Wien alle zwei Stunden und nicht nur drei Mal pro Tag. Und was waren schon zwei zusätzliche Stunden im Vergleich zu den neun Stunden Verspätung, die wir ohnehin schon hatten? Der Tag war sowieso schon gelaufen. Die Wartezeit auf den nächsten Zug vertrieben wir uns, indem wir ein paar Straßenbahnen in der näheren Umgebung des Bahnhofs anschauten.





    Die letzte Etappe unserer Reise legten wir mit einer vertrauten Zuggarnitur zurück.


    Um 20:08 (statt um 8:58) erreichten wir schlussendlich doch noch den Wiener Westbahnhof. Der Plan, den Tag für Arbeit&Co zu nützen, ging nicht auf. Dafür hatte ich am nächsten Tag ein nettes Gespräch mit meinem Vorgesetzten, bei dem mir quasi verboten wurde, in Zukunft bei Rückfahrten von Urlauben so riskante Verbindungen einzuplanen.

    Trotz des nicht so erfreulichen Verlaufs der zweiten Rückfahrt war das insgesamt eine sehr interessante und abwechslungsreiche Reise. Insbesondere als ein Dreivierteljahr später mit einem Schlag der Betrieb nahezu aller bereisten Schmalspurstrecken Griechenlands endete, war ich sehr froh, sie noch in Betrieb gesehen zu haben.

    Und die Reise war auch sehr lehrreich. Die wichtigste Lektion: Bei Bahnreisen durch den Balkan immer ausreichend Reservezeit einplanen… Dieser Planungsgrundsatz bewährte sich vor allem bei der Rückfahrt aus dem Iran ein Jahr später, als wir in Wien mit ca. 36 Stunden Verspätung ankamen – aber das ist eine andere Geschichte.



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